Integrität des Wettbewerbs
Ausgangslage
In einem fairen, integren und spannenden Wettbewerb haben alle teilnehmenden Teams im sportlichen Wettbewerb eine reelle Chance auf sportlichen Erfolg. Meisterschaften und Siege sind nicht allein durch die Finanzkraft der teilnehmenden Vereine vorbestimmt. Die Realität im deutschen und internationalen Fußball sieht anders aus: Seit Jahren gibt es eine kleine Anzahl an Top-Clubs, die Titelgewinne im nationalen und internationalen Wettbewerb unter sich ausmachen.
Diese nahezu geschlossene Gesellschaft an der Spitze profitiert dabei von einem selbstgeschaffenen Belohnungssystem, in dem Vereine, die in der Vergangenheit erfolgreich waren, doppelt profitieren: Neben den gesteigerten Einnahmen, die sportlicher Erfolg logischerweise mit sich bringt, erhalten sie auch einen überproportional großen Anteil aus Erlösen, die von allen Wettbewerbern gemeinsam erwirtschaftet werden.
Um in diesen elitären Kreis aufzusteigen, sind Ausgaben nötig, die in aller Regel nur mit externer Finanzkraft aufzubringen sind. Solche Gelder verzerren jedoch den Wettbewerb gegenüber den Vereinen, die sich nicht einem allmächtigen Investor andienen und sich auch nicht übermäßig verschulden wollen. Zusätzlich sorgen externe Geldgeber*innen dafür, dass im ohnehin boomenden Fußballgeschäft noch mehr Geld zirkuliert, wodurch Gehalts- und Ablösesummen ins Unermessliche steigen.
In Deutschland schützt die 50+1-Regel den Wettbewerb vor noch größerem externen Einfluss, sie reicht aber alleine bei weitem nicht aus, um einen integren Wettbewerb sicherzustellen. Zudem hat die Corona-Krise uns allen vor Augen geführt, dass trotz der riesigen Geldsummen, die im deutschen Profifußball fließen, eine zeitlich begrenzte Einstellung des Spielbetriebes und die dadurch ausbleibenden Einnahmen für Vereine zur Existenzbedrohung wird.
Drei Aspekte sind für Wiederherstellung eines integren Wettbewerbs besonders wichtig:
A) Eine gleichmäßigere Verteilung der gemeinsamen Einnahmen, insbesondere der Medienerlöse. In der Saison 2019/20 hatte der spätere Meister FC Bayern München insgesamt die achtfache Summe der Medienerlöse des Tabellenletzten SC Paderborn zur Verfügung und die fünffache Summe des späteren Tabellenachten, SC Freiburg. Die Summe der gesamten Medienerlöse ist in den letzten Jahren stark gestiegen und hat somit deutlich an Bedeutung für die Vereine gewonnen. Mit dieser Steigerung ist auch die Schere innerhalb der Ligen stark auseinandergegangen. In den 90erJahren, als das gemeinsam eingenommene Geld noch zum allergrößten Teil an alle gleich verteilt wurde, errangen noch fünf unterschiedliche Clubs die deutsche Meisterschaft, zwischen 2011-2020 dann nur noch zwei.
B) Ein umfassendes und durchgreifendes Financial Fairplay (FFP). Dieses unterbindet die Wettbewerbsverzerrung durch “finanziell gedopte” Clubs gegenüber sich selbst tragenden Vereinen und verpflichtet zusätzlich zu maßvollerem, nachhaltigem Wirtschaften.
C) Weitere Mechanismen zur Sicherstellung der langfristigen Existenz von Liga, Vereinen und einem integren Wettbewerb. Es gibt eine Vielzahl von weiteren Lösungsansätzen; einige erachten wir als zwingend notwendig (wie beispielsweise die verpflichtende Bildung von Liquiditätsreserven), andere können (abhängig davon, wie gut obige Vorschläge umgesetzt werden) eine sinnvolle Ergänzung sein, wie z. B. ein FFP als Belohnungsmodell oder eine strikte Gehaltsdeckelung (sog.“harter Salary Cap”). Des Weiteren sind wir – damit die Schere zumindest ein Stück weit wieder geschlossen wird – von dem Modell einer Luxussteuer überzeugt.
Herangehensweise
Zu Beginn haben wir eine ausführlich Status-Quo-Analyse bzgl. der Spannung des Wettbewerbs und der Spreizung der Verteilung der gemeinsamen Einnahmen – inklusive historischer Betrachtung durchgeführt. Auf dieser Basis haben wir verschiedene Szenarien diskutiert, in welcher Form die gemeinsamen Einnahmen zukünftig gleichmäßiger verteilt werden können.
In den Zeitraum unserer Arbeit fiel das Urteil des CAS, welches die Sperre von Manchester City aufhob, die aufgrund von Verstößen gegen das FFP ausgesprochen worden war. Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, dass das aktuelle System ein zahnloser Tiger ist und der Wille zur Durchsetzung der Regelungen fehlt, wenn es darum geht, einen integren Wettbewerb sicherzustellen. Im Arbeitsprozess haben wir sowohl die Einnahmenseite (begrenzte Zuführung externer Gelder) als auch die Ausgabenseite (in Form von verschiedenen Arten eines Salary Caps sowie Luxussteuer) und mögliche Belohnungssysteme diskutiert. Des Weiteren haben wir verschiedene Szenarien zur langfristigen Sicherung des Spielbetriebs betrachtet. Zudem haben wir uns regelmäßig mit Expert*innen in den Themenbereichen ausgetauscht.
Lösungsansätze
Für jeden der drei Themenbereiche, mit denen sich die AG beschäftigt hat, haben wir konkrete Lösungsansätze entwickelt, die einen integren Wettbewerb wiederherstellen sollen. Hierbei ist zu beachten, dass alle drei Themenbereiche stark voneinander abhängig sind. Eine gleichmäßigere Verteilung der Fernsehgeldeinnahmen kann beispielsweise nur dann zu den gewünschten Resultaten führen, wenn parallel sichergestellt wird, dass externes finanzielles Doping nicht möglich ist.
A) Gemeinsame Einnahmen gleichmäßiger verteilen
Die DFL ist ein Ligenverbund, der nur durch den gemeinsamen sportlichen Wettkampf aller Teams überhaupt Einnahmen erzielen kann. Die Vermarktung der 1. und 2. Bundesliga kann dadurch sinnvollerweise nur gemeinschaftlich erfolgen. Aktuell profitieren einzelne Vereine jedoch überaus stark von diesen gemeinschaftlich erwirtschafteten Einnahmen. Bis in die 2000er Jahre erhielten die Teams einer Liga denselben Anteil aus der nationalen TV-Vermarktung (Erstligisten doppelt so viel wie Zweitligisten). 2006 wurde erstmalig ein Modell mit starker Aufspaltung nach Leistung eingeführt, das schon damals nicht nur Beifall erhielt. Seitdem ist die Segmentierung innerhalb der Ligen durch weitere Reformen der Fernsehgeldverteilung weiter stark angestiegen. Wir empfehlen, dass gemeinschaftlich erwirtschaftetes Geld wieder gleichmäßiger an alle im Ligenverbund partizipierenden Vereine ausgezahlt wird. Die Einnahmen aus der internationalen DFL-Vermarktung und der TV-Vermarktung der europäischen Wettbewerbe verstärken die bestehende Schieflage zusätzlich massiv, weshalb wir auch hierfür Lösungen entwickelt haben.
Wir empfehlen …
- … gemeinsame Einnahmen gleichmäßiger zu verteilen und hierbei die nationale und internationale DFL-Vermarktung gleich zu behandeln
- … die Spreizung bei den DFL-Medienerlösen zwischen Groß- und Geringverdienern innerhalb der jeweiligen Liga durch eine Reform des Auszahlsystems auf das maximal 1,5-fache zu verringern: Von einem hohen Sockelbetrag (Vorschlag: 75 Prozent) profitieren alle Vereine gleichermaßen, der restliche Betrag wird anhand von Leistungskriterien verteilt, die beispielsweise auch Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit und Jugendförderung beinhalten.
- … die DFL-Einnahmen gleichmäßiger zwischen 1. und 2. Bundesliga zu verteilen: Wir schlagen ein Verteilungssystem von maximal 70/30 vor.
- … die Einnahmen aus den UEFA-Wettbewerben zur Hälfte an die teilnehmenden Vereine und zur anderen Hälfte an den DFL-Ligenverbund zu geben, der diese Einnahmen zwischen allen DFL-Vereinen gleich verteilt.
B) Einführung eines nationalen FFP-Reglements
Der Grundgedanke des Financial Fairplay lautet, dass jeder Wettbewerber nur das ausgeben darf, was er auch selbst erwirtschaftet hat. In der Einführung eines FFP-Reglements in Deutschland sehen wir ein dringend benötigtes Bekenntnis zu den Grundwerten des Sports: Jeder verfügt über die gleichen Startvoraussetzungen und Rahmenbedingungen. Finanzielles Doping – also die Zuführung externer Gelder ohne Gegenleistungen – im Sinne der Chancengleichheit wird unterbunden.
Nach dem bedauerlichen ManCity-Urteil wäre es der falsche Schluss, das FFP als Instrument zur Rettung des Fußballs aufzugeben. Vielmehr muss jetzt aus den Fehlern und Schwachstellen des FFP der UEFA gelernt werden: Zum einen muss die Rechtssicherheit und Durchsetzbarkeit der Regeln von vornherein bedacht werden. Zum anderen ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass mit einem FFP-Reglement auch ein nicht unerheblicher Kontrollaufwand einhergeht. Es müssen Regeln gefunden werden, die den Kontrollaufwand entsprechend minimieren. Zudem muss gewährleistet sein, dass auf Verbandsseite ein ernsthaftes Durchsetzungsinteresse vorhanden ist.
Konkret besteht ein FFP-Reglement aus der Festlegung der relevanten Einnahmen und der daran geknüpften quotenmäßigen Begrenzung der Ausgaben.
→ Bei den Einnahmen ist festzulegen, dass Zuwendungen ohne angemessene Gegenleistungen nicht gewertet werden. Um die Regelung hier rechtssicher zu gestalten, sind gewisse Spielräume denkbar, eine Erheblichkeitsschwelle ist naheliegend.
→ Auch bei den Ausgaben bedarf es keiner strikten Begrenzung, die streng in Bezug auf das Jahreseinkommen vorgenommen wird. Vielmehr geht es darum, langfristigen unlauteren Wettbewerb durch finanzielles Doping zu unterbinden. Dabei muss gewährleistet sein, dass kleine Vereine nicht am Ende die Verlierer eines FFPs sind. Auch müssen nachhaltige Investitionen in Infrastruktur, Nachwuchs und ähnliches möglich sein. Ebenso müssen unternehmerische Entscheidungen, in einem Geschäftsjahr mehr zu sparen und im anderen mehr auszugeben, weiter erlaubt bleiben. Wichtig ist, dass es im niedrigen Ausgabenbereich eine Erheblichkeitsschwelle gibt, welche gerade kleineren Vereinen mehr Spielraum lässt und den Kontrollaufwand der Regelung verringert. Auf der anderen Seite braucht es aber umso mehr ein verlässliches, klar durch Sanktionen geregeltes Übermaßverbot.
Wir empfehlen …
… ein FFP-Reglement einzuführen, das diesen Anforderungen entspricht. Dies ist in unseren Augen tatsächlich ein wichtiger Schlüssel zurück zu einem fairen Wettbewerb und hin zur Rettung unseres Fußballs. An der Bereitschaft, ein umfassendes FFP-Reglement auszuarbeiten und umzusetzen, lässt sich erkennen, wie ehrlich die Worte der Demut und Einsicht zu Beginn der Corona-Krise waren.
C) Weitere Mechanismen zur Sicherstellung der langfristigen Existenz von Liga, Vereinen und einem integren Wettbewerb
Die Luxussteuer
Ein fairer Umverteilungsmechanismus liegt in dem Modell einer Luxussteuer bzw. einer Übermaßabgabe. Er sieht vor, dass jeder Club ab einer bestimmten Ausgabenschwelle des Spieleretats für jeden Euro darüber hinaus etwa einen weiteren Euro an die Liga überweisen muss. In einem Wettbewerb, in dem der Primus das 12,5-fache des letzten im Etat-Ranking für Personal ausgibt, eine längst überfällige Regelung.
Ein „harter“ Salary Cap
Ein tiefgreifender Reformansatz wäre die Einführung einer strikten Gehaltsobergrenze, die – abgesehen von einem überschaubaren Aufschlag für international vertretene Teams (größere Kadergröße) – allen das gleiche Budget erlaubt. Hierin läge wohl die einschneidenste Reformidee, aber auch die sportlich fairste Lösung in Bezug auf die Integrität des Wettbewerbs.
In der Branche wird ein solcher Etatdeckel kritisch gesehen und mit Verweis auf die vermeintlich schwierige rechtliche Umsetzbarkeit und die internationale Wettbewerbsfähigkeit abgelehnt. Dass die Umsetzung jedoch sehr wohl auch durch nationale Verbände möglich ist, haben jüngst erst zwei Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages aufgezeigt. Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht zu schwächen, wäre zudem natürlich eine europaweite Umsetzung wünschenswert. Hier sollten gerade deutsche Verbände voranschreiten und dabei auch nicht vergessen, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit einzelner deutscher Spitzenteams auf lange Sicht nicht auf Kosten der Attraktivität und Integrität (und letztlich des Fortbestehens) des nationalen Wettbewerbs gehen darf.
Wenn oben genannte Reformvorschläge verwirklicht werden, dann ist ein zusätzlicher „harter“ Salary Cap nicht zwingend notwendig. Die „soften“ Begrenzungen durch die eigenen Einnahmen im Rahmen des FFP und die Luxussteuer für eine gesunde Umverteilung wären ausreichend. Wenn dies aber nicht geschieht, die Schere im deutschen Fußball in der Folge noch weiter auseinander geht und die Saisonausgänge immer erwartbarer werden, dann könnte tatsächlich nur ein „harter“ Salary Cap als wirksamstes Mittel die Attraktivität der Bundesliga retten.
FFP als Belohnungsmodell
Ein weiterer Ansatz, der jedoch kein richtiges FFP zu ersetzen vermag, ist, einen Teil gemeinsamer Einnahmen nach Parametern des nachhaltigen Wirtschaftens zu verteilen und so finanziell gedopte Wettbewerber von der Verteilung der gemeinsam erwirtschafteten Erlöse auszuschließen.
Mehrfachbeteiligungen begrenzen
Durch internationale Mehrfachbeteiligungen versuchen verschiedene Akteure, vermehrt einen Wettbewerbsvorteil gegenüber rein national agierenden Vereinen aufzubauen. Besonders aggressiv gehen dabei die City Football Group und Red Bull vor. Wir empfehlen, dass die in der DFL geltende nationale Beschränkung von Mehrfachbeteiligungen auf den internationalen Kontext ausgeweitet wird. Konkret heißt das: Wer in anderen Ligen mehr als 10 Prozent an einem Club hält, darf in Deutschland auch nicht mit mehr als 10 Prozent an einem Club beteiligt sein. Außerdem sollte die national geltenden Beschränkung von Mehrfachbeteiligungen auf den DFB ausgeweitet werden und der deutsche Fußball sich im internationalen Kontext für weitere Beschränkungen einsetzen.
Verpflichtende Rücklagenbildung
Für die verschiedenen Rechtsformen in der Liga (e. V., GmbH, AG, GmbH & Co. KGaA) sollen differenzierte Instrumente entwickelt werden, die Rücklagen (z. B. für 3-6 Monate) für den Krisenfall bilden. Auch auf Ebene der Liga sollte eine entsprechende Rücklage gebildet werden. Der Zugriff auf diese Rücklagen darf nur bei Eintritt eines entsprechenden Schadensfalls erfolgen und muss durch einen Beschluss der Liga erlaubt werden.
Weitsichtige Planung muss verpflichtend sein und gefördert werden
Zur Vermeidung von überraschenden wirtschaftlichen Schieflagen sollten jährliche Abweichungsanalysen der eingereichten Finanzplanungen zur Steigerung der Planungsgenauigkeit durchgeführt werden. Begrüßenswert wäre in einem weiteren Schritt, gelungene Planungen zu belohnen, etwa als ein Kriterium bei der Verteilung gemeinsamer Erlöse. Der turnusmäßige Wechsel der Wirtschaftsprüfer*innen (spätestens alle drei Jahre) sowie stichprobenhafte Sonderprüfungen durch andere Wirtschaftsprüfer*innen sollen helfen, finanzielle Risiken frühzeitig zu identifizieren. Auch Tochterkapitalgesellschaften sollten ihre Abschlüsse zeitnah veröffentlichen, um für eine höhere Transparenz zu sorgen.
Wir empfehlen …
… durch weitere Maßnahmen, wie die Einführung einer Luxussteuer, die Verpflichtung zur Rücklagenbildung und weitere Regulierung der Finanzströme im Profifußball ein klares Commitment zur wirtschaftlichen und damit auch sportlichen Integrität abzugeben.
Die vollständige Langfassung dieses Konzeptes steht als PDF zum Download bereit: