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Vereine als demokratische Basis

Ausgangslage

Fußballvereine sind als Vehikel der Integration und Inklusion und als Bindemittel zwischen Menschen mit den unterschiedlichsten sozialen, gesellschaftspolitischen und kulturellen Hintergründen wichtige und wirksame Akteure in unserer demokratischen Gesellschaft. Durch ihren hohen Zuspruch haben sie eine bedeutende gesellschaftliche Verantwortung, die im Profifußball noch deutlich effektiver und lebendiger wahrgenommen werden muss. Gerade durch die rechtliche Form des Vereins und dem damit verbundenen Gewinnausschüttungsverbot ist die breitenwirksame Förderung des Sports, der Gemeinschaft und der Gesellschaft möglich. Seit Jahren werden die reinen Vereine im Profifußball jedoch durch immer komplexere Firmenkonstruktionen ersetzt, welche demokratische, partizipative Grundsätze und Transparenz missen lassen und teilweise gezielt unterwandern. Aus dem Volkssport Fußball wird ein Produkt mit dem Ziel der Gewinnerzielung, welches sich zunehmend von seiner Basis, den “Muttervereinen” und ihrer Mitglieder, entkoppelt.

Die Missstände reichen von mangelhafter Einbindung von Fan- und Mitgliederinteressen über fehlende Kontrollgremien bis zu erschwerten Bedingungen, um eine stimmberechtigte Mitgliedschaft zu erlangen. Die Möglichkeit, Profiabteilungen in Kapitalgesellschaften auszulagern, hat die rechtliche Lage deutlich verkompliziert und zunehmend die Entscheidungsgewalt des Muttervereins und damit seiner Mitglieder marginalisiert. Partizipative Einflussmöglichkeiten für Vereinsmitglieder und Fans auf etwaig ausgegliederte Profiabteilungen sind standortabhängig und existieren in den meisten Fällen nicht; Transparenz und Rechenschaft gegenüber den Mitgliederversammlungen des Muttervereins sind meistens nicht gegeben.

Die als Minimalforderung durchgesetzte sogenannte „50+1-Regel“ wurde durch zahlreiche Ausnahmen ad absurdum geführt. Die Verbände verabschiedeten 1995 in „Rahmenbedingungen für die Vereinssatzung“ die Mindestvoraussetzungen für den Aufbau eines Lizenzvereins. Diese Kriterien sind auch im Ligastatut der DFL enthalten. Die Implementierung und Umsetzung der Kriterien aus dem Anhang III der Lizenzierungsordnung werden nicht entsprechend geprüft und nachverfolgt.  Deshalb muss der Anhang III der Lizenzierungsordnung überarbeitet und die Einhaltung der Kriterien im Lizenzverfahren stärker geprüft werden.  Die per Lizenzierungsordnung der DFL seit 2013 für die Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga vorgeschriebenen Club-Fan-Dialoge finden in einem unzureichenden Maße statt; an den meisten Profifußball-Standorten gibt es keine implementierten Fan- und Mitgliederabteilungen.

Herangehensweise

Für uns Fans und Mitglieder von Fußballvereinen steht der Erhalt der Vereinsstrukturen im Zentrum der Bestrebungen, eine weitere Aufweichung von „50+1“ ist nicht verhandelbar. Darüber hinaus fordern wir Veränderungen, welche die Ausnutzung unseres Sports durch rein kommerzielle Gewinnerzielungsinteressen unterbinden und gleichzeitig die Beteiligung der Fans und Mitglieder in ihren Vereinen deutlich stärken.

In den eingetragenen Vereinen im Profifußball ist die Mitgliederversammlung das oberste Vereinsorgan. Hier haben die Mitglieder die Möglichkeit, in gewissem Rahmen über das Stimmverhalten auf Entscheidungen und Richtungslinien des Vereins einzuwirken. Im Zuge der sich ausbreitenden alternativen Gesellschaftsformen im Profifußball geht diese wichtige Einflussmöglichkeit aber zunehmend verloren, da die Kapitalgesellschaften keine unmittelbare Verankerung von Mitgliederinteressen oder Rückkoppelung an bedeutende Fanbelange vorsehen. In der Regel werden die Mitglieder lediglich durch die Entsendung von Vertreter*innen des eingetragenen Vereins in die Organe der Kapitalgesellschaft vertreten, eine wirkliche Wahrung der Interessen sowie eine durchgängige Abbildung des Willens der Mitgliederversammlung ist hier aber selten sichergestellt.

Im Folgenden werden Vorschläge dargelegt, wie die Wahrung der Mitgliederinteressen auch in Konstellationen zwischen dem e.V. und seinen Kapitalgesellschaften gewahrt und statuarisch verankert werden kann.

Lösungsansätze

Um dieses Ziel zu erreichen, unterbreiten wir Vorschläge für Veränderungen

  • bei den Strukturen der Vereine und ihren Kapitalgesellschaften,
  • welche die Mitsprache von Vereinsmitgliedern stärken und Faninteressen wahren,
  • … damit die Vereine ihre gesellschaftliche und demokratische Verantwortung noch stärker wahrnehmen.
  • Zudem unterbreiten wir langfristige Vorschläge, um die gesellschaftliche Verantwortung des Profifußballs zu stärken.

Diese Vorschläge dienen als Grundlage für die anstehenden Gespräche und sollen als konkrete Ideen zur Umsetzung verstanden werden. Alle Ideen und Konzeptvorschläge wurden mit ausgewiesenen Expert*innen diskutiert und auf ihre praktische oder rechtliche Umsetzbarkeit geprüft bzw. “abgeklopft”. Die folgenden Lösungsvorschläge wurden in der Langfassung, die man sich am Ende dieser Seite herunterladen kann, detaillierter und stichhaltiger aufbereitet.

Stärkung des Vereins!

  • Abschaffung der Ausnahmeregelungen zu 50+1 und Festlegung des Vereins (e. V.) als bestimmende Organisationsform im Fußball.
  • Bei Auslagerung einer Profiabteilung in eine Kapitalgesellschaft ist die Weisungsbefugnis des Muttervereins sicherzustellen. 
  • Die Rechtsform einer Aktiengesellschaft wird aufgrund der mangelnden Mitbestimmungsmechanismen abgelehnt.
  • DFB und DFL nehmen den Non-Profit-Gedanken in ihre Leitlinien und Statuten auf.
  • Erlaubte Rechtsformen für Ausgliederungen sowie konkrete Gestaltungsvorgaben für die Kapitalgesellschaften müssen zum Verbleib der Kontrolle im Verein festgeschrieben werden.
  • Für bestimmte Kapitalgesellschaften ist eine Ausweitung auf eine 75+1-Regel zu prüfen. 
  • Die DFL leitet das Abstimmungsverhalten aller Profiabteilungen an die Mitglieder-/Fanvertretungen der Vereine weiter.
  • Die Vereinsführungen sind aufgefordert, Mitglieder- und Fan-relevante Entscheidungen vorab mit den Mitgliedervertretungen zu besprechen.
  • Die DFL ergänzt und veröffentlicht „Anhang III – Rahmenbedingungen für die Vereinssatzung“. Für die „Nicht-Vereine“ werden entsprechende Passagen in der Lizenzordnung geschaffen, welche ein vereinsartiges Handeln bewirken und festlegen. 
  • Die Geschäftsführungen der Kapitalgesellschaften müssen der Mitgliederversammlung des Muttervereins Bericht erstatten und von dieser entlastet werden. 
  • Jede Mitgliederversammlung sollte Zustimmungsvorbehalte definieren können.

Mehr Mitsprache!

Jeder Verein soll verpflichtet werden, eine Form der praktikablen Mitgliederbeteiligung zu finden. Vorgeschlagen wird die Schaffung einer Fan- und Mitgliederabteilung innerhalb des Hauptvereins. Für diese Abteilung sind durch die Mitgliederversammlung der Umfang der Mitsprache, die Zustimmungsvorbehalte und die reservierten Plätze für Vertreter*innen in den Vereinsgremien festzulegen. Die Abteilung arbeitet eigenständig auf Basis einer Abteilungsordnung, berichtet an das Präsidium und erhält ein entsprechendes Budget zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Die Abteilung sollte nur aus Vereinsmitgliedern bestehen, offene Strukturen wahren, die Vernetzung der Fans- und Mitglieder fördern und deren Anliegen in andere Abteilungen und Bereiche des Vereins tragen. Ein regelmäßiger Austausch der Abteilungsleitung mit den leitenden Organen des Vereins und ggf. zugehörigen Kapitalgesellschaften ist zu gewährleisten. Die „Nicht-Vereine“ sind durch die Lizenzordnung zur Schaffung einer adäquaten Organisation mit gleichen Rechten zu verpflichten.

Nachfolgend könnte der Club-Fan-Dialog in unserem Verständnis mittelfristig zu einer überregionalen Institution der Vereinsabteilungen für Fans und Mitglieder umgestaltet werden. 

Der Verein muss bleiben!

Mit der gesellschaftlichen Verantwortung des Fußballs haben sich noch eingehender die beiden Arbeitsgruppen „Fußball als Publikumssport“ und „Gesellschaftliche Verantwortung“ beschäftigt. In Hinblick auf unsere oben dargelegten Ansätze zur Stärkung von Vereinsstrukturen und Mitsprachemechanismen für Fans und Mitglieder wollen wir nochmals betonen, dass dem Fußball und insbesondere den Vereinen als zentrale Institutionen für das gesellschaftspolitische und demokratische Miteinander eine wichtige Bedeutung zukommt. Eine Bedeutung, die durch die Verankerung entsprechender Mechanismen und Regeln auf vielerlei Ebenen deutlich gestärkt werden muss, damit der Verein seinem ursprünglichen Non-Profit-Gedanken gewissenhaft nachkommen kann. Deshalb möchten wir die folgenden Punkte zur Umsetzung anregen:

  • In den Statuten der Verbände muss für jede natürliche Person die Garantie zur zugänglichen, monetär erschwinglichen und stimmberechtigten Mitgliedschaft in den Profivereinen festgeschrieben werden. Bei Ablehnung muss eine unabhängige Schlichtungsstelle im Verein und Verband anrufbar sein.
  • In den Vereinen und Verbänden kommt es zur verpflichtenden Schaffung von Stellen für Corporate Social Responsibility.
  • Ein TÜV für Good Governance sollte in der Lizenzierungsordnung festgeschrieben werden, über den die Mechanismen der Partizipation, der institutionalisierten Kontrolle und der Transparenz bewertet werden. Eine Kopplung dieser Beurteilung an die Ausschüttung von TV-Geldern ist zu prüfen.

Die vollständige Langfassung dieses Konzeptes steht als PDF zum Download bereit: